Unter dem Tagungsthema «Energie und gute Rahmenbedingungen für KMU» richtet die 75. gewerblichen Winterkonferenz in Klosters den Fokus auf den Bereich Energie und die damit verbundenen wichtigen KMU-relevanten Fragen.
Mit dem Formular auf der sgv-Website können Sie bis zu acht Personen zur 75. Gewerblichen Winterkonferenz in Klosters anmmelden. Die Teilnahme ist kostenlos.
Die 75. Ausgabe der Gewerblichen Winterkonferenz in Klosters ist im Gang: Am Mittwochabend, 15. Januar, eröffnete Ständerat Fabio Regazzi, Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv, die KMU-Tagung im bündnerischen Klosters. Wie schon in den Vorjahren geht der diesjährige Event in der Arena Klosters und nicht wie in früheren Jahren im Hotel Silvretta über die Bühne.
Highlights der diesjährigen Ausgabe von «Klosters» sind der Auftritt von Aussenminister Ignazio Cassis am Freitagabend (12. Januar, ab 17 Uhr). Der Vorsteher des Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) wird das Thema «Die Schweiz in Europa und der Welt» beleuchten und einen aktuellen Überblick über die Verhandlungen zum neuen Paketansatz geben, mit dem unser Land die guten Beziehungen zur EU aufrechterhalten will.
Zum Auftakt des dreitägigen Anlasses entwickelte Prof. Dr. Christoph Schaltegger, Direktor des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik an der Universität Luzern, seine Gedanken zu den Erfolgsfaktoren der Schweiz.
Ab dem Donnerstag, 11. Januar, wird «Klosters» wiederum vom Publizisten und «Nebelspalter»-Verleger Markus Somm moderiert.
Am Donnerstagmorgen (8.30 – 10.30 Uhr) wird das Thema Fachkräfte im Zentrum der Debatte stehen. Yannick Blättler, Founder und CEO NEOVISO AG, wird sich Gedanken machen zur Frage, wie die Generation Z funktioniert. Anschliessend wird Benjamin Hügli, Head of Sales, ManpowerGroup, Trends und Entwicklung im Schweizer Arbeitsmarkt unter die Lupe nehmen.
Best Practice Rekrutierung und Arbeit in Unternehmen werden danach auf dem Podium folgende Teilnehmer diskutieren: Dominic Staub, Inhaber bikeperfection AG; Thomas Iten, Geschäftsführer Sigrist Rafz Holz + Bau AG; Reto Zbinden, CEO Swiss Infosec AG sowie René Schmid, Geschäftsführer EO Elektro Oberland GmbH.
Am Donnerstagabend (16.30 – 18.30 Uhr) werden mögliche Lösungen für KMU rund um den Fachkräftemange diskutiert. Einleitend präsentiert Boris Zürcher, Leiter Direktion für Arbeit im Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), «Facts and Figures» zum Fachkräftemangel. Anschliessend legt Prof. Dr. Reiner Eichenberger, Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik, Universität Freiburg, dar, «warum Zuwanderung keine Lösung ist».
Lösungen für den Fachkräftemangel präsentiert danach Tabea Kaderli, Projektleiterin im Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS).
Und schliesslich diskutieren Vertreter folgender Branchenverbände ihren Umgang mit dem Fachkräftemangel: Casimir Platzer, Präsident GastroSuisse; Marcel Durst, Geschäftsführer Association Spitex privée Suisse (ASPS); Marcel Voyame, Geschäftsführer Verband Sonnenschutz und Storentechnik Schweiz (VSR) und – last, but not least – Silvia Fleury, Direktorin Schweizerischer Maler- und Gipserunternehmer-Verband (SMGV).
Der Freitag, 12. Januar, steht ganz im Zeichen der Beziehungen der Schweiz mit der Europäischen Union. Einleitend skizziert Stephan Rietiker, Unternehmer und Präsident Pro Schweiz, seine Überlegungen zu den Bilateralen Beziehung Schweiz–EU vor dem Hintergrund neuer globaler Entwicklungen.
«Sinn und Unsinn der Bilateralen» diskutieren dann auf dem Podium: Stephan Rietiker, Unternehmer und Präsident Pro Schweiz, Peter GrĂĽnenfelder sowie die Nationaltäte Elisabeth Schneider-Schneiter (Die Mitte) und Matthias Samuel Jauslin (FDP.Die Liberalen), bevor sgv-Präsident Regazzi – nach dem Auftritt von Bundesrat Cassis – die Gäste von «Klosters 2024» verabschieden wird.Â
Die Gewerbliche Winterkonferenz des sgv findet seit 1949 jeweils Mitte Januar in Klosters statt. An der dreitägigen Veranstaltung nehmen Spitzenvertreter der kantonalen Verbände und der Branchenverbände teil. Der Anlass ist offen für alle: Unternehmerinnen und Unternehmer, Verbandsvertreter, Amtsträger, sowie an Wirtschaftsthemen generell interessierte Personen. Die Teilnahme ist kostenlos.
Im Anschluss an seine Eröffnungsrede stellte sgv-Präsident Ständerat Fabio Regazzi fest: «Als Verband mit Wurzeln bis zurück ins 19. Jahrhundert weiss der Schweizerische Gewerbeverband, wie Traditionen gepflegt werden – und für was der Verband steht. Deshalb erstaunt es mich immer wieder, wie wenig Wissen über unseren Verband in der Öffentlichkeit vorhanden ist. So wurde ich doch tatsächlich auch schon von einem Staatsmedium als Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes betitelt…»
Der sgv will hier Abhilfe schaffen und hat zu diesem Zweck ein Erklärvideo produziert, welches Regazzi der illustren Gästeschar in der Arena Klosters als Premiere präsentierte. Das Video kann neu auf dem vimeo- und YouTube-Kanal und der Website des sgv abgerufen werden.
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Im Foyer der Arena erwartete die Gäste danach der von der Gemeinde Klosters und der Destination Davos Klosters offerierte Apéro. Swiss Label und swissstaffing spendierten die edlen Tropfen zum Dinner.
Der Fachkräftemangel und die Suche nach den Fachkräften der Zukunft: Darum drehte sich die Diskussion am Donnerstag in Klosters. Yannick Blättler, Gründer und CEO der Krienser Unternehmungsberatungsfirma Neoviso AG, stellte zu Beginn die Herausforderungen im Umgang mit der Generation Z vor – Jahrgänge 1997 bis 2012, auch Gen Z genannt. Sie prägen den künftigen Arbeitsmarkt, während die Babyboomer mit Jahrgängen bis 1964 aus diesem bald grösstenteils ausscheiden werden. «Wohlstand ist normal für die Gen Z, Selbstverwirklichung und mentale Gesundheit ihr Ziel, Social Media ihr Antrieb», stellte Blättler fest. Vor allem letztere bewirkten viel Druck auf die junge Generation, sowohl was das äussere Erscheinungsbild als auch die beruflichen Perspektiven betreffe.
«Sind wir relevant, genügend schnell, flexibel und klar?» sei die Frage, die sich Unternehmen bei der Rekrutierung der Gen Z stellen müssten. Firmen müssten sich überlegen, wie ihre Website, aber auch ihr Rekrutierungsprozess in dieser «neuen Welt» aussehe, denn es sei klar: «Wir brauchen neue Methoden, um junge Mitarbeitende anzuziehen.» Dazu gehörten eine gute Firmenkultur, klare Regeln betreffend Kommunikation – wann wird auf welchem Kanal zu welchem Thema informiert, und wie soll das konkret geschehen? – und klare Prinzipen in der Führung: «Gen Z braucht Sicherheit, und sie will Chancen, nicht Probleme aufgezeigt erhalten.» Klare, kurz gesteckte Zielvereinbarungen mit raschem Feedback statt Jahresgespräche seien gefragt, und es müsse geklärt werden, was «Flexibilität» für die Firma und ihre Angestellten ganz konkret bedeute.
«Sind wir relevant, genügend schnell, flexibel und klar?» sei die Frage, die sich Unternehmen bei der Rekrutierung der Gen Z stellen müssten. Firmen müssten sich überlegen, wie ihre Website, aber auch ihr Rekrutierungsprozess in dieser «neuen Welt» aussehe, denn es sei klar: «Wir brauchen neue Methoden, um junge Mitarbeitende anzuziehen.» Dazu gehörten eine gute Firmenkultur, klare Regeln betreffend Kommunikation – wann wird auf welchem Kanal zu welchem Thema informiert, und wie soll das konkret geschehen? – und klare Prinzipen in der Führung: «Gen Z braucht Sicherheit, und sie will Chancen, nicht Probleme aufgezeigt erhalten.» Klare, kurz gesteckte Zielvereinbarungen mit raschem Feedback statt Jahresgespräche seien gefragt, und es müsse geklärt werden, was «Flexibilität» für die Firma und ihre Angestellten ganz konkret bedeute.
Im Anschluss stellte Benjamin Hügli, Head of Sales bei ManpowerGroup, den Fachkräftemangel in seiner globalen Dimension dar. «Die Welt wird rasch älter, im Arbeitsmarkt gibt es mehr Aus- als Eintritte.» Auch in der Schweiz seien drei Viertel der Unternehmen von Personalmangel betroffen. Entsprechend mache es Sinn, dass Firmen sich auf den Erhalt bestehender Mitarbeiter konzentrierten. Flexible Arbeitsformen seien ein Muss, Weiterbildung ebenfalls. Firmenchefs müssten sich fragen, welche wichtigen Skills in den nächsten fünf Jahren wegfallen und wie diese ersetzt werden könnten.
Obwohl die akuten und die kommenden Probleme bekannt seien, stellte Hügli im Markt «eine gewisse Lethargie» fest, sich der Probleme anzunehmen. «Rekrutiert wird oft noch wie vor 20 Jahren – und dann wundert man sich, dass niemand anbeisst.»
Mit Moderator Markus Somm, Chefredaktor des Nebelspalters, diskutierten auf dem Podium danach zum Thema «Best Practice bei der Rekrutierung und Arbeit»: Dominic Staub, Inhaber bikeperfection AG und Berufsschul-Fachlehrer; Thomas Iten, Geschäftsführer Sigrist Rafz Holz + Bau AG und Zentralpräsident des Verbands Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten VSSM; Reto Zbinden, CEO Swiss Infosec AG und René Schmid, Geschäftsführer EO Elektro Oberland GmbH.
Reto Zbinden plädierte dafür, den Wertewandel ernst zu nehmen, und auch neue Vorstellungen von Arbeit zu akzeptieren. «Wir brauchen mehr Flexibilität; ein Umdenken ist zwingend.» Intern rekrutierten sehr oft auch bestehende Angestellte neue Mitarbeitende – gegen eine stattliche Prämie. Die Politik könne kaum viel zum Thema betragen, ausser – etwa in den Verbänden – das Verständnis für die Bedürfnisse der neuen Generation zu fördern.
René Schmid hat in seinem Betrieb die Vier-Tage-Woche eingeführt; in Bezug auf den Fachkräftemangel ohne sichtbaren Erfolg. Dennoch: Junge seien weder faul noch arbeitsunwillig, «sie schauen nicht auf die Uhr und bringen ihre Arbeit zu Ende.» Wichtig seien Anpassungen im Schulsystem mit mehr Fokus darauf, was welchen Schülern Freude bereite, und vor allem ein wenig komplizierter Anstellungs- und Bewerbungsprozess.
Hier hängte Dominic Staub ein: «Ein Motivationsschreiben für eine Schnupperlehre braucht es nun wirklich nicht, das ist schon eine erste, völlig unnötige Hürde.» Helfen könnte auch «eine gewisse De-Akademisierung, indem man bei universitären Ausbildungen die Schraube etwas anzieht», meinte der Berufsschullehrer.
Thomas Iten schliesslich plädierte dafür, dass sich die Politik verstärkt für gleich lange Spiesse der beruflichen und der akademischen Laufbahnen einsetzt – wie dies übrigens die Verfassung längst vorsieht. Aber auch für Iten ist klar: «Ob Teilzeit, Weiterbildung oder Papi-Tag: Flexibilisierung ist unverzichtbar, auch wenn sie für die Betriebe zu mehr organisatorischem Aufwand führt.»
«Klosters» ist seit jeher nicht bloss Politik. «Klosters» heisst auch Geniessen, am besten in Gemeinschaft. So trafen sich denn auch in diesem Jahr am Donnerstagmittag eine wackere Gruppe Sportbegeisterter zum Langlaufen. Und zum anschliessenden Lunch im Restaurant Bär’s im Hotel Piz Buin. Das Programm wurde vom Bündner Gewerbeverband offeriert.
Welche möglichen Lösungen gibt es für KMU rund um das Problem des Fachkräftemangels? Um diese Frage ging es am späteren Donnerstagnachmittag in Klosters.
Obwohl Fachkräftemangel gar nicht mehr das richtige Wort sei: «Wir haben jetzt einen generellen Arbeitskräftemangel», stellte Boris Zürcher, der Leiter der Direktion für Arbeit im Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), in seiner Einleitung fest, in der er «Facts and Figures» zu diesem Thema präsentierte. Denn: «Wir sind mittendrin in der demographischen Wende. Bereits heute verlassen mehr Leute den Arbeitsmarkt, als Neue eintreten.»
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Zürcher präsentierte dabei viele interessante Zahlen. So wurden in den letzten zehn Jahren rund 650'000 Stellen geschaffen, davon knapp 200’000 im Bereich des Gesundheits- und Sozialwesens. Jedoch seien beispielsweise in der arbeitsintensiven Pflege Produktivitätssteigerungen nicht sehr einfach möglich. Die Erwerbsquote der Schweizer sei im selben Zeitraum auf knapp 85 Prozent angestiegen. Die Anzahl Stunden, die ein Erwerbstätiger arbeitet, habe in den letzten Jahren allerdings abgenommen.
Zürchers Fazit: «Der Arbeitsmarkt wächst über seinem demographischen Potential.» Unter anderem auch, weil Schweizer kaum noch Kinder machten. Die Potentiale von Frauen und Senioren würden vergleichsweise sehr gut ausgeschöpft. Zu einer weiteren Flexibilisierung bei den Senioren werde die im Herbst 2022 angenommene AHV-Vorlage beitragen, welche dieses Jahr in Kraft tritt. Kritisch äusserte sich Zürcher zu Kita-Subventionen. Ob Frauen deswegen mehr arbeiten würden, sei ungewiss. «Es gibt Studien, die dagegensprechen.»
Die Stossrichtung des Vortrags des Leiters der Direktion für Arbeit war dabei klar: Die Schweiz ist auf die Zuwanderung vor allem via Personenfreizügigkeit (PFZ) angewiesen, damit sie annährend an die Anzahl Fachkräfte kommt, welche sie braucht. Alternativ müsste unser Land sein Geschäftsmodell umbauen. Dieses basiere grob gesagt darauf, Kapital zu exportieren und Arbeitskräfte zu importieren. Dieser Umbau scheine aber nicht wünschenswert.
Markus Somm, Chefredaktor des Nebelspalters, der durch den Nachmittag führte, wollte es dann noch genauer wissen: «Wird diese Zuwanderung nicht langsam zu viel, und soll das jetzt noch 20 Jahre so weitergehen?», hakte er mehrmals nach. «Ein bisschen weniger Zuwanderung wäre mir auch lieber», liess sich Zürcher entlocken. Sie verursache beispielsweise Stress. «Das Land hat sich in den letzten 30 Jahren aber klar zum Positiven verändert.»
Ganz anderer Meinung bezüglich Personenfreizügigkeit war Reiner Eichenberger, Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg. Er erklärte in seinem Vortrag, «warum Zuwanderung keine Lösung ist». Zuwanderung senke den Fachkräftemangel: Aber nur, wenn keine Knappheit herrsche. In der Schweiz sei jedoch das Gegenteil der Fall: «Die Schulen sind voll, der Notfall ist voll, und fast alle Wohnungen sind belegt.» Der Hammer komme aber erst noch. «Wir müssen alles ausbauen, aber das Geld ist schon weitgehend ausgegeben.»
Und sei der Fachkräftemangel nach 17 Jahren Personenfreizügigkeit etwa gesunken, fragte der Ökonom. «Nein, natürlich nicht.» Dem Normalbürger sei das eher klar. Dieser schaue auf seine Lebensqualität und das BIP pro Kopf. Die von Eichenberger als «Spezialbürger» bezeichnete Elite – CEOs von Grossfirmen, Spitzenfunktionäre in Verbänden und Politik – schauten hingegen auf das BIP insgesamt. Zuwanderung bringe dieser Elite vor allem «Vitamin 3B» – Budget, Bedeutung, Boni.
Doch was wirkt gegen den Fachkräftemangel? Eichenberger schlägt unter anderem «einen Vielarbeitsabzug bei den Steuern» vor, damit es sich wieder stärker lohnt, (viel) zu arbeiten. Als weiteren Lösungsansatz sieht er eine tiefere Besteuerung des Einkommens von Alten, damit diese freiwillig länger arbeiten. Um die Zuwanderung klug zu lenken, plädiert Eichenberger für einen «Aufenthaltspreis» - eine Art «Kurtaxe».
Andere Lösungen für den Fachkräftemangel präsentierte danach Tabea Kaderli. Sie ist Projektleiterin im Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS). Sie sprach sich unter anderem dafür aus, dass die steuerlichen Rahmenbedingungen verbessert werden müssten. So gehe die Individualbesteuerung bei der direkten Bundessteuer gemäss Schätzungen mit einer Beschäftigungszunahme einher.
Das reiche aber nicht. Die Unternehmen müssten die Attraktivität ihrer Firmen und ihres Berufs steigern. Zentral sei in diesem Zusammenhang das Ermöglichen von Teilzeitarbeit. «Diese ist ein wichtiger Faktor für den Wiedereinstieg und den Verbleib im Beruf, vor allem von Müttern und älteren Arbeitnehmern.» Die Berufsbildung sei ebenso ein zentraler Hebel.
Zum Abschluss diskutierten Vertreter diverser Branchenverbände über den Umgang mit dem Fachkräftemangel. Und zwar: Casimir Platzer, Präsident GastroSuisse; Marcel Durst, Geschäftsführer Association Spitex privée Suisse (ASPS); Marcel Voyame, Geschäftsführer Verband Sonnenschutz und Storentechnik Schweiz (VSR) und – last, but not least – Silvia Fleury, Direktorin Schweizerischer Maler- und Gipserunternehmer-Verband (SMGV).
Einig waren sich alle darin, dass sie das Image der Berufslehre und im Speziellen ihres Berufs aufbessern müssen. «Wir sind eine coole Branche», sagte Marcel Voyame und sprach sich für bessere Rahmenbedingungen aus. Ähnlich äusserte sich Marcel Durst: «Wir müssen in der Pflege den Stress abbauen.» Ausserdem plädierte er dafür, dass es im Gesundheitswesen nicht noch mehr staatliche Interventionen geben dürfe.
Silvia Fleury hob die Wichtigkeit der Teilzeitarbeit hervor. «50 Prozent der Lernenden bei den Malern sind Frauen.» So gebe es in ihrer Branche auch Wiedereinstiegskurse, zum Beispiel nach der Baby-Pause. Ausserdem sprach sie sich zur Stärkung der Berufslehre gegen eine weitere Akademisierung aus. «Vielleicht müsste man vermehrt den Numerus Clausus einführen.»
In eine ähnliche Richtung äusserte sich Casimir Platzer. «Der Staat ist schuld an der Akademisierung, weil er die Akademiker anstellt. Ausserdem nehmen er und die staatsnahen Betriebe uns die Leute weg.» Bundesangestellte beispielsweise verdienten im Schnitt zwölf Prozent mehr als in der Privatwirtschaft. «Wir müssen bei diesen attraktiveren Anstellungsbedingungen ansetzen. Denn wir brauchen Praktiker.»
Der Freitag steht in «Klosters» im Zeichen der Beziehungen der Schweiz mit der EU. Stephan Rietiker, Arzt, Unternehmer und Präsident von Pro Schweiz, beleuchtete zu Tagungsbeginn die Bilateralen Beziehung Schweiz-EU vor dem Hintergrund neuer globaler Entwicklungen – «von Unternehmer zu Unternehmern», wie er betonte. Globale Machtverschiebungen prägten die Weltpolitik. «Neue Staatengruppen, Netzwerke und Allianzen gegen die US-Dominanz gewinnen zunehmend an Dynamik.» Die westlich geprägte Ordnung werde unablässig in Frage gestellt. Die krisengeschüttelte EU verliere zunehmend an Gewicht, sowohl wirtschaftlich als auch politisch.
Die nächsten Jahre würden in der EU durch massive Krisen in den Bereichen Energie, Migration, Wirtschaft und Sicherheitspolitik gekennzeichnet sein. «Die Schweiz sollte sich in Anbetracht dieser unsicheren und volatilen Entwicklungen wirtschaftlich und politisch mehr diversifizieren», fand Rietiker. «Anstatt mit einem Röhrenblick auf die EU zu starren, sollen auch die Zusammenarbeit und der Freihandel, insbesondere im Umfeld der BRICS-Staaten gesucht werden. Dabei müssen strategische Schlüsselbereiche wie Energie, Nahrungsmittel, Rohstoffe, neue Technologien und Innovation im Zentrum neuer Partnerschaften stehen.» Rietiker plädierte dafür, dass die Schweiz ihre Probleme selbst löse und mit europäischen Partnern zusammenarbeite, ohne sich vereinnahmen zu lassen. «Switzerland first» müsse die Devise lauten.
Das sah Peter Grünenfelder – er ist Präsident des Automobil-Importeuren-Verbands auto-schweiz – ganz anders. «Switzerland first wird nicht funktionieren», sagte er mit Blick auf die internationale Verflechtung der Schweiz. Diese sei die Grundlage des Schweizer Wohlstandes – welcher von zu Vielen als garantiert betrachtet werde, was wiederum zu einer gewissen Trägheit und einem Mangel an Ambitionen beitrage.
In einem Zeitalter geopolitischer Umbrüche tut unser Land gut daran, sich auf seine Stärken zu besinnen. Dazu gehöre seine wirtschaftliche Offenheit ebenso wie eine liberale Rahmenordnung. Dieses liberale Modell stehe heute jedoch zunehmend unter Druck. Steigende Staatsquote und steigende Zwangsabgaben bedrohten das Modell, interner Druck, vor allem von Seiten der Linken und Grünen, stelle die wirtschaftliche Ordnung infrage. «Die Flexibilität wird von innen heraus immer stärker eingeschränkt», sagte Grünenfelder. Auch in einer zunehmend unfreieren Welt dürfe sich die Schweiz nicht entkoppeln und müsse mit allen Seiten im Geschäft bleiben.
Die demografische Entwicklung ihrer Nachbarländer sei ähnlich wie jene der Schweiz. «Obwohl die Personenfreizügigkeit für rund 70 Prozent der Schweizer Unternehmen wichtig ist, ist die Schweiz auf die Diskussion über bald fehlende Fachkräfte aus der EU nicht vorbereitet.»
Die Schweiz müsse ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern, u.a. durch Reformen im öffentlichen Sektor. Sie müsse ihr Freihandelsnetz weiter ausbauen, von einer moralisierenden Aussenpolitik wegkommen, die Abschottung des Agrarmarktes verringern, den Arbeitsmarkt flexibilisieren, den staatlichen Fussabdruck verkleinern und die Sozialpartnerschaft demokratischer abstützen. «Obwohl die Gewerkschaften immer weniger Arbeitnehmer vertreten, gebärden sie sich als Veto-Macht.»
Auf dem Podium diskutierten Grünenfelder und Rietiker anschliessend mit den Nationalräten Matthias Jauslin (FDP) und Elisabeth Schneider-Schneiter (Mitte) über «Sinn und Unsinn der Bilateralen». Für die Präsidentin der Handelskammer beider Basel sind in der Diskussion um die «Bilateralen 3», wie sie den neuen «Paketansatz» nennt, Lösungen beim Lohnschutz zentral – ohne mehr GAV, mehr Kündigungsschutz oder mehr Mindestlöhne. «Wir müssen den bilateralen Weg unaufgeregt weitergehen, um einen EU-Beitritt zu vermeiden», sagte Schneider-Schneiter. Dabei solle die Schweiz souveräner auftreten als auch schon, damit am Ende – «und nach sehr viel Überzeugungsarbeit» – ein neues Abkommen mehrheitsfähig werde, denn: «Welche Alternativen haben wir?»
«Unser Verhältnis zur EU muss geklärt werden», fand Jauslin, die Schweiz können nicht autark funktionieren. Dabei gelte es, Verhandlungsspielräume zu nutzen, «damit auf der Baustelle Schweiz-EU endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden können.» Die Gewerkschaften seien nicht mehr die richtigen Partner in den Verhandlungen mit der EU, stimmte Jauslin Grünenfelder zu.
Dieser meinte mit Blick auf eine engere Anbindung an die EU, eine Internationalisierung des Rechts sei heute schon Tatsache. Statt zu viel Folgsamkeit in den Verhandlungen sei aber «mehr Walliser-Politik» anzustreben. Am Ende, so Grünenfelder, werde es zu einer Güterabwägung kommen müssen, inwiefern die direkte Demokratie von einem neuen Vertrag betroffen sein werde.
«Unabhängigkeit und direkte Demokratie sind unverhandelbar», fand hingegen Rietiker. Solange die Souveränität der Schweiz tangiert werde, habe ein Vertrag vor dem Volk keine Chance.
Das sah auch SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher im Publikum ähnlich: «Der Vertrag ist alter Wein in neuen Schläuchen»; er sei fürs Gewerbe kaum förderlich. Martullo bat den sgv denn auch, bei seiner bisher kritischen Haltung zu bleiben.
«Ich schaue Ihnen in die Augen und sage: Es gibt keine fremden Richter.» Das antwortete Bundesrat Ignazio Cassis am Freitagabend auf eine Frage aus dem Publikum. Der Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Auswärtigen EDA hielt zum Abschluss der 74. Gewerblichen Winterkonferenz in Klosters eine Keynote. Der Hauptinhalt: Das Verhandlungsmandat zwischen der Schweiz und der EU, welches der Bundesrat Mitte Dezember verabschiedet und in Konsultation gegeben hat.
Das Mandat konkretisiere die Eckwerte, die der Bundesrat im Juni genehmigt habe, und berücksichtige die Ergebnisse der Sondierungsgespräche mit der EU, erklärte der Magistrat. «Das Mandat, das Sie mittlerweile in Händen halten, definiert die Ziele, die sich der Bundesrat gesetzt hat, und enthält die Verhandlungsleitlinien.»
Konkret verfolge es folgende Ziele:
Der Bundesrat habe auch beschlossen, die Sozial- und Wirtschaftspartner zu Stellungnahmen einzuladen. «Der Gewerbeverband ist als Sozialpartner eng in den laufenden europapolitischen Prozess eingebunden und ein wichtiger Partner auf der Suche nach guten Lösungen», betonte der Vorsteher des EDA.
Der Bundesrat werde die Stellungnahmen bei seiner endgültigen Entscheidung über das Verhandlungsmandat berücksichtigen, die bis März erfolgen werde. «Denn eines stand und steht ausser Frage: Es ist unabdingbar, dass unser Land den bilateralen Weg mit der EU stabilisiert und weiterentwickelt.»
Cassis gab weiter zu bedenken, dass internationale Grossfirmen auf negative Entwicklungen rasch reagieren und solche beispielsweise mit Zweitniederlassungen im EU-Raum beheben könnten. Schweizer KMU seien viel stärker an ihren Standort gebunden. Genau das sei zu beobachten gewesen, nachdem die EU das MedTech-Kapitel im MRA-Abkommen nicht aktualisiert habe. «In diesem Kontext ist es also gerade für KMU essenziell, dass wir gute und geordnete Beziehungen mit unseren Nachbarn pflegen.»
Beim MRA geht es um den Abbau von technischen Handelshemmnissen. «Es ist sehr interessant, für einen gut 400 Millionen Einwohner zählenden Markt unkompliziert produzieren zu können», sagte der Aussenminister. Die Bilateralen Abkommen gingen dabei weiter als das Freihandelsabkommen von 1972, bei dem der Abbau von Zöllen im Vordergrund stehe.
Mit den Bilateralen sei die EU mit der Schweiz einen Sonderweg gegangen – dies mit Blick auf einen möglichen Beitritt. «Als die EU vor ein paar Jahren jedoch gemerkt hat, dass die Schweiz ihr nicht beitreten will, setzte sie die Aktualisierung aus», erklärte der Bundesrat.
Es gehe in den kommenden Verhandlungen darum, aus Landezonen nun Landepunkte zu definieren. Das Verhandlungsergebnis gehe wiederum in die Konsultation, und werde auch dem Parlament vorgelegt. «Dann kommt es vors Volk», erklärte Cassis grob den Ablauf. Dabei gelte es, die 40 Prozent in der Mitte der Stimmbevölkerung zu überzeugen. «30 Prozent sind sowieso dagegen, und 30 Prozent sowieso dafür.»
Anschliessend an die bundesrätliche Standortbestimmung ging es für die Teilnehmer mit einer romantischen Kutschenfahrt zum Fondueplausch auf die Alp Garfiun. Die Fahrt wurde vom Bündner Gewerbeverband offeriert, die Getränke vom Schweizerischen Verband Network Marketing. Nach viel Politik war zum Abschluss von «Klosters 2024» also wieder Geselligkeit Trumpf.