Unter dem Tagungsthema «Mehr Politik für KMU» nahm die 73. gewerblichen Winterkonferenz in Klosters im Wahljahr wichtige KMU-relevante Fragen auf. Das Programm kombinierte vielfältige Elemente und Perspektiven:
Die 73. Ausgabe der Gewerblichen Winterkonferenz in Klosters ist im Gang: Am Mittwochabend, 11. Januar, eröffnete Nationalrat Fabio Regazzi, Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv, die KMU-Tagung im bündnerischen Klosters. Wie schon im Vorjahr geht der diesjährige Event in der Arena Klosters und nicht wie in früheren Jahren im Hotel Silvretta über die Bühne.
Highlights der diesjährigen Ausgabe von «Klosters» sind der Auftritt der neuen Finanzministerin, Bundesrätin Karin Keller-Sutter sowie das vom sgv im Hinblick auf die Wahlen vom Oktober erstellte und jeweils mit Spannung erwartete «KMU Rating».
Zum Auftakt des dreitägigen Anlasses machte sich der schwedische Zukunftsforscher und Autor Magnus Lindkvist unter dem Titel «When the future begins» Gedanken zum Thema seiner Arbeiten.
Ab dem Donnerstag, 12. Januar, wird «Klosters» wiederum vom Publizisten und «Nebelspalter»-Verleger Markus Somm moderiert.
Am Donnerstagmorgen wird Ökonom Klaus W. Wellershoff unter dem Titel «Angst vor Rezession» einen konjunkturellen Ausblick auf das noch junge Jahr werfen. In der Folge zeigen Branchenvertreter auf, wie ihre Verbände die anstehenden wirtschaftspolitischen Herausforderungen meistern wollen. Der Morgen wird mit einem Streitgespräch zum Thema «Sinn und Unsinn von Verbandsarbeit» beschlossen; die Klingen kreuzen werden sgv-Präsident und Unternehmer Fabio Regazzi und Seby Elsener, Unternehmer Schreinerei Elsener, Inhaber und Geschäftsführer der gleichnamigen Schreinerei im zugerischen Finstersee.
Am Donnerstagabend kommt es zu einer «Bundespolitischen Auslegeordnung»: sgv-Direktor Hans-Ulrich Bigler – er ist zum letzten Mal für den Anlass verantwortlich – wird das KMU Rating zur Legislatur 2019–2023 präsentieren. In der Folge äussern sich Bundesparlamentarier von FDP, SVP und Mitte zur Umsetzung der sgv-Strategie und zur Frage, welche Schwerpunkte sie sich für zu Ende gehende und für die nächste Legislatur gesetzt haben.
Der Freitag, 13. Januar verspricht mit dem Auftritt von Bundesrätin Karin Keller-Sutter einen weiteren Höhepunkt. Die neue Finanzministerin wird sich zum brisanten Verhältnis Schweiz–EU äussern – man darf gespannt sein… Zudem wird Luzius Meisser, Verwaltungsratspräsident Bitcoin Suisse, sich unter dem Titel «Kryptowährungen sind nur so gut wie das nächste Angebot» Gedanken zum zuletzt etwas gedämpften Hype um digitale Währungen machen. Und schliesslich werden Vertreter aus Ökonomie, Unternehmertum und Politik auf das Thema Staatsfonds fokussieren.
«Klosters 2023» findet am Freitagabend auf dem Madrisa Hof mit dem Auftritt des Kabarettisten und Satirikers Andreas Thiel einen fulminanten Abschluss.
Nach der offiziellen Eröffnung von «Klosters 2023» durch sgv-Präsident Fabio Regazzi genossen die zahlreichen Gäste aus Wirtschaft und Politik in der Arena Klosters ein reichhaltiges Apéro - offeriert von der Gemeinde Klosters und der Destination Davos Klosters –, gefolgt vom Abendessen mit von Swiss Label und swissstaffing offerierten Getränken.
«Wir befinden uns derzeit in einer sehr seltenen Situation», erklärte Ökonom Klaus W. Wellershoff. Diese zeichne sich dadurch aus, dass die Inflationsraten über den Zinsen lägen.
Der ehemalige Chefökonom der UBS warf unter dem Titel «Angst vor Rezession?» am Donnerstagvormittag an der Gewerblichen Winterkonferenz in Klosters einen konjunkturellen Ausblick auf das noch junge Jahr.
Wellershoff sieht den Hauptgrund für die Inflation in der Reaktion der Politik auf Corona und bezeichnete die Situation als staatlich ausgelöstes Nachfrage-Problem. Der private Konsum brach ein und explodierte danach. «Völliger Nonsens» sei hingegen die Aussage, dass die Inflation eine Folge des russischen Kriegs in der Ukraine sei.
Der selbstständige Unternehmer kam zum Schluss, dass «wir vor einer globalen Rezession stehen» und sich die Inflationsraten auf erhöhtem Niveau zu verstetigen drohten. Weiter gab er die Prognose ab, dass der langfristige Zinszyklus gedreht hat und damit Anlagepreise bestenfalls langsam steigen, schlimmstenfalls aber weiter sinken werden. Und schliesslich: «Der Franken droht sich deutlich aufzuwerten.»
Wellershoffs Vortrag war kurzweilig, angriffslustig und gespickt mit Seitenhieben. Zum Beispiel gegen das ganze Woke- und Political-Correctness-Projekt. Ihr Fett weg bekam vor allem die deutsche Bundesregierung unter Kanzler Olaf Scholz (SPD). «Die machen Schulden wie blöd.»
Interessant war eine Folie, auf welcher der Ökonom das Beschäftigungswachstum in der Schweiz seit dem vierten Quartal 2019 zeigte. Im Staat und Sozialwesen sind seither rund 60'000 Stellen! (Vollzeitäquivalente) geschaffen worden. Damit ist dieser Bereich absoluter Spitzenreiter. «Da kann einem die Galle hochkommen. Hört auf, Leute einzustellen», meinte Wellershoff. Zum Vergleich: Im Bausektor wurden in derselben Zeit gut 10'000 Stellen geschaffen.
Markus Somm, der den Donnerstagvormittag moderierte, hakte am Ende zum Wachstum bei den Staatsstellen nochmals nach: «Bilden wir die Leute falsch aus?», fragte der Publizist und «Nebelspalter»-Verleger. Wellershoffs Antwort: «Ja. Wir könnten die Hälfte aller Ökonomie-Professoren entlassen, und es würde nichts passieren.»
Wie problematisch diese Entwicklung ist, zeigte auch die darauffolgende, interessante Diskussion, in der Branchenvertreter aufzeigten, wie ihre Verbände die anstehenden wirtschaftspolitischen Herausforderungen meistern wollen.
Matthias Baumberger, der Direktor des Verbands der Schweizerischen Lack- und Farbenindustrie VSLF, sagte: «Die Industrie und das Gewerbe haben keine Chance mehr, mit den Anstellungsbedingungen bei den Bundesstellen zu konkurrenzieren. Das muss aufhören!» Ausserdem dürfe das Umweltthema nicht links-grün überlassen werden.
Für Peter Bruggmann, Präsident ASMAS Verband Sportfachhandel Schweiz, ist in diesem Zusammenhang klar, dass die Berufslehre und deren Möglichkeiten stärker in den Fokus gerückt werden müssen. «Ansonsten haben wir in zehn Jahren zehn arbeitslose Akademiker, die auf einen einzigen Handwerker warten.»
Gian-Luca Lardi, Zentralpräsident des Schweizerischen Baumeisterverbands, erklärte, dass die Verwaltung heute ein Bremser sei. «Dabei sollte sie das Leben der Menschen vereinfachen.» Das liege an einer mangelnden Fehlerkultur. Die Politik erwarte eine fehlerfreie Verwaltung. Das wiederum ziehe mehr Kontrolleure nach sich.
Silvio Ponti, der Präsident von KUNSTSTOFF.swiss, plädierte für den Abbau von Regulierungen. Ihm bereitete vor allem die Energie-Situation Sorgen. «Tiefe Energiekosten waren immer ein Standortvorteil der Schweiz. Diesen müssen wir wieder zurückgewinnen.»
Insgesamt blicken die vier Vertreter aber zuversichtlich in die Zukunft. Das zeigte sich unter anderem am Schluss, als Moderator Markus Somm fragte, was sie in letzter Zeit wirtschaftspolitisch begeistert habe.
Obwohl er gegenüber den Corona-Massnahmen sehr kritisch eingestellt war, habe es die Schweiz im Vergleich gut gemeistert, sagte Ponti. Lardi zeigte sich beeindruckt, wie in der Schweiz mit ein paar einfachen Botschaften 15 Prozent Strom gespart wurde – ohne Wohlstandsverlust. Und Baumberger war überrascht, wie viele Leute in Politik und den Bundesämtern doch zugänglich seien.
Der Abschluss des Vormittags bildete ein Streitgespräch zum Thema «Sinn und Unsinn von Verbandsarbeit». Die Klingen kreuzten sgv-Präsident und Unternehmer Fabio Regazzi und Unternehmer Seby Elsener, Inhaber und Geschäftsführer der gleichnamigen Schreinerei im zugerischen Finstersee.
Elsener sagte, dass der sgv eine Grundsatzdebatte ĂĽber Sinn und Zweck des Verbands fĂĽhren mĂĽsse. Auf mehrmaliges Nachhaken von Somm und auch Regazzi, was genau die konkreten Probleme seien, wurde er jedoch nicht viel konkreter.
Für Regazzi ist klar, dass der sgv gut unterwegs ist. So habe die Mitgliederzahl gesteigert werden können. Dass der Verband Einfluss hat, zeigt auch das Beispiel der Regulierungskostenbremse, wo nach langem Kampf eine Vorlage auf dem Tisch liegt. Der Präsident erwähnte ausserdem die Kampagne «Perspektive Schweiz», in der sich die vier Dachverbände der Wirtschaft und Landwirtschaft mit Blick auf die nationalen Wahlen im Herbst zusammengeschlossen haben. Diese hat zum Ziel, dass bei den eidgenössischen Wahlen im Herbst wirtschaftsfreundlich gesinnte Kandidatinnen und Kandidaten ins Parlament gewählt werden.
Nach den politischen Diskussionen trafen sich Interessierte am späten Donnerstagvormittag zum Curling und einem Lunch auf und neben dem Eisfeld des Sportzentrums Klosters. Das Programm wurde vom Bündner Gewerbeverband organisiert, der auch das Mittagessen offerierte.
“Einige wenige Sitzverschiebungen reichen, damit die Schweiz wieder ein bürgerlicheres Parlament erhält», sagte sgv-Direktor Hans-Ulrich Bigler am Donnerstagabend in Klosters. Dieses Ziel – die Stärkung der bürgerlichen Kräfte – soll durch die neue Kooperation der Wirtschaftsdachverbände sgv, Arbeitgeberverband, economiesuisse und Bauernverband unter dem Namen «Perspektive Schweiz» erreicht werden. «Es geht darum, der Linken den Begriff der Nachhaltigkeit nicht allein zu überlassen, ja ihn quasi zurückzuerobern.» Denn er umfasse nicht bloss Ökologie, sondern – gleichberechtigt – auch Ökonomie und Gesellschaftspolitik. Die Kampagne «Perspektive Schweiz» soll rund um die Begriffe nachhaltig, innovativ, wettbewerbsfähig und lebenswert entwickelt werden. Und sie soll aufzeigen, wie eine zukunftsfähige Wirtschaft und Gesellschaft gefördert werden kann, in welcher durch unternehmerische Leistung und Eigenverantwortung eine hohe Lebensqualität, sichere Arbeitsplätze, stabile Sozialwerke und eine gesunde Umwelt gesichert werden können.
Die im Januar offiziell gestartete Kampagne soll in einer Vertiefungsphase mit konkreten Botschaften unterlegt werden, bevor eine Motivations- und eine Mobilisierungsphase schliesslich zur Wahl geeigneter Kandidatinnen und Kandidaten für die eidgenössischen Räte führen soll.
Dasselbe Ziel – ein wirtschaftsfreundlicheres, bürgerlicheres Parlament – soll auch mittels eines KMU-Ratings erreicht werden, das vom sgv nun bereits zum vierten Mal durchgeführt wurde. Wer hat in der laufenden Legislatur im Bundeshaus wie KMU-freundlich abgestimmt? Erneut belegen Vertreterinnen und Vertreter von FDP und SVP die Spitzenplätze. Das vordere Mittelfeld wird geschlossen von der «Mitte» besetzt. SP und Grüne sind weit abgeschlagen.
Dabei zeigt sich, dass insbesondere im Ständerat die KMU-Freundlichkeit beachtlich ist. Unter den ersten 15 Mitgliedern der Kleinen Kammer sind je sieben FDP- und SVP-Mitglieder, ein Parteiloser und ein Mitglied von «Die Mitte». Im Nationalrat finden sich unter den 50 Mitgliedern, die in den vorderen Rängen gelistet sind, 41 SVP- und neun FDP-Mitglieder.
Die Nationalräte Matthias Bregy (Fraktionschef Mitte/VS), Benjamin Giezendanner (SVP/AG), Matthias Jauslin (FDP/AG) und Bruno Walliser (SVP/ZH) sowie der Obwaldner Ständerat Erich Ettlin (Mitte) diskutierten in der Folge, wie die Politik KMU-freundliche Lösungen ermöglichen kann.
Die Schweizer Politik befinde sich in einem Zwiespalt zwischen Sicherheit und Bürokratie, meinte Bregy. Eine verbesserte Fehlerkultur könne hier helfen. Und: «KMU müssen Flagge zeigen», gerade auch in der Politik.
Giezendanner plädierte dafür, zuerst gute Lösungen zu finden und sich erst danach Gedanken über deren «Verkauf» an die Stimmberechtigten zu machen. Tendenziell werde zu oft Politik zugunsten der Grossfirmen und zu wenig für die KMU gemacht.
Jauslin kritisierte, dass Verordnungen immer öfter nicht den Willen des Gesetzgebers, sondern jenen der Verwaltung wiedergäben. Wichtig sei darum das präzise Zurückspiegeln seitens der Berufsverbände; nur so könnten Verbesserungen zugunsten der KMU erreicht werden.
Walliser forderte den «Mut zur Lücke» und rasche, unbürokratische Lösungen, die sich nicht an einzelnen möglichen Risiken, sondern an den Chancen für die grosse Mehrheit orientierten.
Ettlin schliesslich bezweifelte, dass die Einigkeit im bürgerlichen Lager alleine zu Erfolgen an der Urne führen können. Es brauche Lösungen, die vor dem Volk Bestand hätten. Und nicht zuletzt sei es nicht am Parlament, sondern an der Exekutive, die Verwaltung stärker zu führen und so missratene Ausführungen parlamentarischer Arbeit zu verhindern.
«Wir befinden uns derzeit im Krypto-Winter» sagte Luzius Meisser, Verwaltungsratspräsident von Bitcoin Suisse, am Freitagvormittag in Klosters. Die Insolvenz der Kryptowährungs-Plattform FTX von Sam Bankman-Fried habe ein grosses Misstrauen und eine tiefe Vertrauenskrise ausgelöst. Man finde kaum mehr Investoren, und die Anlagefonds würden mit grossen Abschlägen gehandelt. Meisser betonte, dass ein Fall wie FTX in der Schweiz aber gar nicht möglich gewesen wäre – wegen der eidgenössischen Finanzmarktaufsicht Finma.
Trotz der derzeitigen Vertrauenskrise sieht er aber ein wachsendes Fundament für diese dezentral organisierten Internetwährungen. Bitcoins würden intensiv gehandelt. «Ein Vorteil ist, dass niemand die Geldmenge kontrolliert.» Ausserdem seien Kryptowährungen neutral und digital. «Bitcoin kann aber auch als Ersatzwährung in Ländern dienen, wo das staatliche Währungssystem zusammenbricht.» Als Beispiel nannte Meisser Venezuela. Er dankte dem ehemaligen Finanzminister Ueli Maurer, dass dieser die grossen Chancen für die Schweiz in diesen neuen Währungen und den damit zusammenhängenden Technologien «intuitiv» gesehen habe.
Im anschliessenden Podiumsgespräch ging es um das Thema Staatsfonds, und ob dieser ein neuer politischer Hype sei. Unter der Moderation von Nebelspalter-Verleger und -Chefredaktor Markus Somm diskutierten der stellvertretende sgv-Direktor Henrique Schneider, der Unternehmer und Zigarrenhändler Manuel Fröhlich sowie die Nationalräte Peter Schilliger (FDP/LU) und Nicolo Paganini (Die Mitte/SG).
Die vier Teilnehmer äusserten sich sehr kritisch gegenüber einem Staatsfonds in der Schweiz. Schneider sagte, dass solche Fonds nur in arabischen Ländern funktionierten. Also mit viel Öl und keiner Demokratie. Ausnahme bilde Norwegen. Dort sei der Einfluss der Politik auf den Staatsfonds aber sehr gering. Die Idee kommt immer wieder im Zusammenhang mit den Gewinnen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) auf. «Das weckt Begehrlichkeiten.»
Paganini relativierte und fragte mit Blick auf den angekĂĽndigten 132-Milliarden-Verlust der SNB im Jahr 2022, ob diese Idee ĂĽberhaupt noch so aktuell sei.
Für Schilliger werden in dieser ganzen Diskussion zu viele Problemstellungen vermischt. «Wir müssen fragen, wo wir ein Problem haben und wie wir dieses lösen: Zum Beispiel die Sicherstellung der Energieversorgung.» Forschung sei da sehr wichtig.
Schlecht weg kam auch der geplante Fonds von 500 Bundesmillionen zur Finanzierung von Jungunternehmen (Innovationsfonds), welchen der Bundesrat derzeit diskutiert. «Dieser wird mit Marktversagen begründet. Das ist ein abenteuerliches Argument», sagte Fröhlich. Mit diesem werde der Markt ausser Kraft gesetzt – und das Geld dazu käme auch von seinen Steuern.
Paganini stört an diesem Fonds, dass er «an der Schuldenbremse vorbeigeschmuggelt werden soll.» Schneider betonte, dass es genügend Geld im System habe. Heute sei es einfach so: «Braucht man Geld und bekommt keines, behauptet man einfach, es sei Marktversagen.»
Kritik gab es auch am Nanny-Staat und immer mehr Vorschriften. «Wir müssen uns gegen Regulierungen wehren», sagte Schilliger. Dahinter stünde meist ein Schutzgedanke, aber letztlich nehme man den Menschen damit die Eigenverantwortung weg. Fröhlich sprach davon, dass die Freiheit bedroht sei. Er wohne in der Stadt Zürich und dort habe das Volk beschlossen, dass man nur noch Tempo 30 fahren dürfe – «absurd».
Zum Abschluss der 73. Gewerblichen Winterkonferenz in Klosters beehrte Bundesrätin Karin Keller-Sutter die traditionelle KMU-Veranstaltung mit ihrem Besuch. Dabei zeigte sich die neue Finanzministerin als überzeugte Vertreterin der bewährten Schuldenbremse – und als ebenso klare Gegnerin von Staats- und ähnlichen Fonds. «65 Prozent der Staatsausgaben sind heute gebunden – sie sind politisch breit abgestützt. Weitere gebundene Ausgaben aber würden laufend den Spielraum verkleinern und zudem die Transparenz verringern», sagte die EFD-Vorsteherin unmissverständlich.
«Finanzpolitische Verlässlichkeit liegt mir ebenso am Herzen wie die Freiheit», sagte «KKS», wie sie auch genannt wird, vor den Unternehmerinnen und Unternehmern. Das Gebot einer soliden Finanzpolitik gelte «umso mehr in turbulenten Zeiten, wie wir sie heute erleben». Wenn Gewissheiten sich relativierten und man für Überraschungen gewappnet sein müsse, sei es wichtig, Verlässlichkeit zu schaffen. Während der Corona-Pandemie habe der Staat «Unterstützung in einem gigantischen Ausmass» geleistet. «Heute müssen wir rund 30 Milliarden Schulden abbauen, die wir in nur zwei Jahren neu angehäuft haben.» Umso wichtiger sei es, an der bewährten und im Volk beliebten Schuldenbremse festzuhalten, die vor genau 20 Jahren federführend vom damaligen Finanzminister Kaspar Villiger geschaffen und seinerzeit «mit überwältigenden 84,7 Prozent der Stimmen» gutgeheissen wurde. «Das Stimmvolk setzte damit einen Schlussstrich unter die Schuldenwirtschaft der 90er Jahre», rief die Finanzministerin in Erinnerung.
«Die tiefe Staatsverschuldung war eine wichtige Voraussetzung dafür, dass der Bund während der Corona-Pandemie schnell reagieren und die Bevölkerung und die Wirtschaft grosszügig unterstützen konnte.» Obwohl sich die Schuldenbremse also erst kürzlich bewährt habe – «gerade auch in der Krise» –, gebe es wieder vermehrt Versuche, sie aufzuweichen. Sie werde sich als Finanzministerin dafür einsetzen, dass der bewährte Mechanismus der Schuldenbremse eingehalten werde, die Finanzpolitik des Bundes auch in Zukunft solide und verlässlich bleibe und «dass der Staat mit dem Geld, das Sie, als Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber gemeinsam mit Ihren Mitarbeitenden erwirtschaften, sorgsam umgeht». Und nicht zuletzt wolle sie sich dafür engagieren, «dass die Rahmenbedingungen so ausgestaltet sind, dass Sie gut wirtschaften können.»
Es sei richtig, so die Bundesrätin weiter, dass sich das Gewerbe für weniger Regulierung und mehr Freiheit einsetze. «Sie haben recht! Setzen Sie sich zur Wehr gegen übertriebene Einschränkungen!» Es gelte aber ebenso, die Verantwortung zu übernehmen, die mit der Freiheit verbunden sei. «Dieser Grundsatz scheint in letzter Zeit ein bisschen in Vergessenheit geraten zu sein.» Sie stelle fest, so Keller-Sutter, dass das schnelle und unbürokratische Handeln des Staates in der Pandemie auch Begehrlichkeiten geweckt habe, die offenbar so rasch nicht wieder verschwinden würden. «Es besteht die Gefahr, dass diese Anspruchshaltung gegenüber dem Staat allzu bequem geworden ist.» Sie erachte es «nicht als die Aufgabe des Staates, der Wirtschaft bei der kleinsten Eintrübung unter die Arme zu greifen», stellte KKS klar.
Auch der Föderalismus gehöre zu einem liberalen Staatsverständnis. Entsprechend freue sie sich, dass Bund und Kantone beschlossen haben, ihre Aufgabenteilung im Rahmen der Neugestaltung des Finanzausgleichs (NFA) zu überprüfen. «Ich bin überzeugt, dass diese Überprüfung 15 Jahre nach Inkrafttreten der NFA nötig ist.» Es gelte, «gewissen Zentralisierungstendenzen» entgegenzuwirken. Dies aber bedinge, «dass die Kantone ihre Autonomie nicht nur reklamieren, sondern auch die damit verbundene Verantwortung übernehmen, auch die finanzielle.»
Am Freitagabend ging die 73. Gewerbliche Winterkonferenz im Madrisa Hof in Klosters mit einem Auftritt von Kabarettist und Satiriker Andreas Thiel zu Ende. Anschliessend genossen die zahlreichen Gäste aus Wirtschaft und Politik einen reichhaltigen Apéro – offeriert vom Büdner Gewerbeverband. Der Tag klang aus beim Abendessen mit vom Schweizerischen Verband Network Marketing offerierten Getränken.