«Ich sage ihnen zu Beginn: Ich bin sehr beunruhigt. Eigentlich bin ich alarmiert. Die Strompreiserhöhungen können das Genick unsere Wirtschaft brechen», eröffnete Die-Mitte-Nationalrat und sgv-Präsident Fabio Regazzi die Medienkonferenz. Für viele Unternehmen sei der Preishammer unerträglich ja sogar existenzgefährdend.
«Die aktuelle Situation ist massgeblich von Staatsversagen geprägt», gab Regazzi zu bedenken. Es seien politische Entscheide, die zum Rückgang der Stromkapazität geführt hätten und gleichzeitig den Ausbau verhinderten. Die Ausbauziele der Energiestrategie 2050 seien ein politisches Versprechen, welches nicht eingelöst worden sei. «Deshalb sind wir da, wo wir heute stehen», so Regazzi.
Er betonte weiter, dass in der Schweiz keineswegs Strom verschleudert werde. Seit 2010 habe die Schweiz ihre Energieintensität – die verbrauchten Kilowattstunden pro Dollar Wertschöpfung – um 21% reduziert, was im Vergleich zum Ausland sehr viel sei. Die Schweiz weise nach Irland die tiefste Energieintensität aller entwickelten Wirtschaften auf. Das sei das Verdienst der kontinuierlichen Massnahmen der Wirtschaft, vor allem der Programme der Energieagentur der Wirtschaft EnAW.
Die drohende Strommangellage sei kein kurzfristiges Problem und der Ausbau der Kapazitäten müsse politisch vorangetrieben werden. Konkret stelle der sgv folgende Forderungen auf: Der Bau von Kleinanlagen aller nachhaltigen Technologien auf Haushaltsebene müsse bewilligungsfrei erfolgen. Grossprojekte der Wasser- und Windkraft müssten vom Einspracheverfahren ausgenommen werden. Die Anlagen und Technologie existierten bereits. Sie bestünden als Projekte und könnten gebaut werden. «Nun müssen aber die administrativen Hürden fallen», fordert der sgv-Präsident.
Sparpläne durch Branchen erstellt
Der Direktor des sgv Hans-Ulrich Bigler äusserte die Befürchtung, dass der Bund zu Bewirtschaftungsmassnahmen wie dem Verbot von einzelnen Aktivitäten und der Kontingentierung von Strom greifen werde. Dabei sei es dem Bundesrat überlassen, welche Aktivitäten verboten würden. «Für viele Unternehmen, Wertschöpfungsketten und Branchen sind diese granularen und intrusiven Bewirtschaftungsmassnahmen unverhältnismässig und potenziell existenzgefährdend», warnt der sgv-Direktor.
Der sgv schlage deshalb eine zusätzliche Eskalationsstufe vor. Sie komme nach dem freiwilligen Sparen und vor den Bewirtschaftungsmassnahmen zum Tragen. In dieser Phase sollen Wertschöpfungsketten und Branchen mit der wirtschaftlichen Landesversorgung Energie-Sparvereinbarungen eingehen. Diese Vereinbarungen würden mittels von den Unternehmen und Branchen selbst erarbeiteten Plänen «bottom up» umgesetzt. Dabei müsse es der Branche bzw. der Wertschöpfungskette freigestellt sein, wie sie die Vereinbarung umsetze.
ZurĂĽck in die Grundversorgung
GastroSuisse-Präsident Casimir Platzer präsentierte zwei konkrete Beispiele. Ein kleineres Berghotel habe bisher jährlich gut 5'000 Franken Stromkosten. Dieses Hotel mĂĽsse einen neuen Vertrag ab nächstem Jahr abschliessen. Der Stromproduzent habe dem Hotel ein Angebot fĂĽr einen neuen 5-jahres Vertrag unterbreitet. «Und jetzt kommt der Hammer», fĂĽhrt Platzer aus. Eine erste Offerte hätte Energiekosten von ĂĽber 162’000 Franken bedeutet, also einen um das 32-fache höheren Betrag. Die Kosten der zweiten Offerte von ĂĽber 81'000 Franken wĂĽrden immer noch einer Preissteigerung von 1600% entsprechen.Â
Das zweite von Platzer vorgestellte Beispiel sei schlicht als Wucher zu bezeichnen. Es betrifft eine mittelgrosse Metallbaufirma. Im Jahr 2022 bezahlte diese Firma für ihren Strom zum bisherigen Preis 58'021 Franken. Dieses Unternehmen hat nun eine Offerte auf dem Tisch mit Kosten für den Energieanteil von sage und schreibe 925’670 Franken. Das sind über 16mal höhere Kosten!
Wie sehen nun die Forderungen des sgv aus: «Wir möchten den Unternehmen, die im sogenannten freien Strommarkt sind, die Rückkehr in die Grundversorgung ermöglichen» erklärt Platzer. Das sollten sie auf eigenen Wunsch unter gewissen Auflagen tun. Die erste Auflage sei, dass sie eine Vorlauffrist von einem Jahr einhalten müssten. Die zweite sei, dass sie nach einem Wechsel in die Grundversorgung für mindestens 3 Jahre dort verbleiben oder auf dem Energieteil eine Penalty von maximal 10% bezahlen müssten.
«Das ist für die betroffenen KMU schmerzhaft. Doch diese Korrektur respektiert das Schweizer Marktdesign und setzt Anreize für eine Mässigung der Preise, ohne direkt auf die Preise einzugreifen», so der GastroSuisse-Präsident.